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Hämochromatose: Patientenbericht, männlich (64 Jahre)

Mittwoch, Dezember 19th, 2012

Im Herbst 2007 wurde bei mir die genetisch bedingte Blutkrankheit „Hämochromatose“ entdeckt.

Glück im Unglück – Zufall oder wie soll man’s nennen.

Nach einer durch einen Sturz verursachten Knieverletzung, die auf dem Rückflug vom Urlaubsort fast zu einer Thrombose führte, begegnete ich im St. Franziskus-Hospital in Köln einem wissenden Arzt, der die Krankheit „Hämochromatose“ kennt.

Diesen Umstand bezeichne ich heute noch als” glücklich”.

Später, nachdem ich in den Hämochromatose-Verein-Deutschland (HVD) eingetreten war, erfuhr ich, dass dieses “Glück” nicht die Regel ist u. war. Zum Teil hanebüchene Diagnosen von nicht selten “unwissenden” und oft auch leider arroganten Ärzten sind keine Seltenheit. Beleidigende Äußerungen, wie -Alkoholmissbrauch- sind nicht selten.

Der mich behandelnde Arzt war nicht nur wissend, er war auch beharrlich. Ein Symptom, meine braune Hautfärbung (wie ich später erfuhr, ein typisches Merkmal) löste bei ihm den Verdacht aus. Die folgende Blutanalyse bestätigte einen hohen Ferritin-Wert, die anschließende Genanalyse bestätigte den Verdacht auf H.

Das anschließende Arztgespräch beinhaltete die bekannte Konstellation von der “guten” u. der” schlechten” Nachricht. Die schlechte war, ich habe diese Krankheit, die gute war, die krankheitsbedingte Veränderung meiner Leber war noch nicht in beängstigendem Maße fortgeschritten. Diese Informationen wirkten eher befremdend als erschreckend. Zu diesem Zeitpunkt wusste ich von dieser Krankheit noch nichts. An dieser Stelle wird augenscheinlich, wie  wichtig es ist, einem zu begegnen, der die Krankheit kennt oder zumindest kennenlernen will, einem Arzt, dem der Patient vertrauen kann. Das steigende Wissen um die Krankheit und der in der Regel folgende Therapiebeginn (Aderlässe – 500ml in kurzen Zeitabständen über einen längeren Zeitraum hinweg), führen bei den Betroffenen oft zu einer großen Verunsicherung, so auch bei mir. Der Rhythmus bei meiner beginnenden Aderlass-Therapie war 14-tägig über einen Zeitraum von zweieinhalb Jahren hinweg.

In dieser Zeit begann die qualifizierte Rückschau auf meine Krankheitsgeschichte der letzten Jahre, d.h., welche meiner Krankheiten und Symptome können im Zusammenhang mit der Krankheit HH gesehen werden. 2001 und 2002 wurden mir künstliche Hüftgelenke implantiert. Eine ca. dreijährige Phase mit starken Schmerzen war erst einmal beendet. Dass meine Hüft-Arthrose sehr wahrscheinlich durch die HH ausgelöst wurde, war mir damals nicht bekannt.

Wie hilfreich Orthopäden für uns Betroffene wirken könnten, wenn das Wissen über HH weiter verbreitet wäre, zeigte sich in meinem Fall. Sehr auffällig ist schon der frühe Zeitpunkt, zu dem die OPs notwendig wurden, zudem zeigte sich bei einer Blutuntersuchung zur Vorbereitung der ersten OP ein signifikant hoher Eisenwert, der aber aufgrund beiderseitigen Unwissens folgenlos blieb. Diabetes wurde im Weiteren diagnostiziert (viele HH-Patienten sind davon betroffen). Beim regelmäßigen Sport (Phasen mit gewohnter Fitness), wechselten für mich oft unverständlich mit Phasen von Kraftlosigkeit u. Schlappheit. Gelenkschmerzen an Knie, Sprunggelenk und später dann Hüften traten immer häufiger auf. Durch das gewachsene Wissen über HH sah ich jetzt auch den frühen Tod meines Vaters (51Jahre) u. meines 1-Jahr älteren Bruders (57Jahre) mit anderen Augen. Beide klagten in ihren letzten Jahren über die typischen Symptome. Hier möchte ich auf die eingangs erwähnte Formel “Glück im Unglück” zurückkommen. Mein Glück bestand darin, dass diese Krankheit bei mir noch rechtzeitig im Krankenhaus erkannt wurde.

Zum jetzigen Zeitpunkt (5 Jahre nach dem Gentest) sind jährlich etwa 5-6 Aderlässe notwendig. Meine Leberwerte sind schon längere Zeit gut. Mit dem Diabetes zu leben, ist nicht immer ganz einfach. Leider muss ich bei mir (andere Betroffene klagen auch darüber) feststellen, dass die Gelenkschmerzen an Schultern, Knie u. Sprunggelenk zunehmen. Neuere Untersuchungen scheinen dies auch zu bestätigen. Die negativen Veränderungen an den Gelenken gehen noch nach dem Stopp der Eisenüberladung weiter. Ursprünglich dachte man, durch die Senkung des Eisenwertes sei dieser Prozess gestoppt.

Gerade an dieser Stelle will ich erwähnen, wie wichtig mir die Mitgliedschaft in der HVD ist. Große Hilfe wurde mir zuteil in der Zeit, als ich zunehmend das Wesen dieser Krankheit u. ihre Bedeutung für mich erkannte. Phasenweise war ich sehr resigniert. Die Begegnung und der Austausch mit anderen Betroffenen sind hilfreich, stützend und im wahrsten Sinne des Wortes belebend. Ein weiterer Punkt ist, Zugang zu dem sich ständig erweiternden Wissen um die Krankheit zu haben und nutzen zu können.

N.N., Dezember 2012
Der Name ist unserem Partnerverein, der Hämochromatose Vereinigung Deutschland e.V. bekannt