Krankengeschichte mit Hämochromatose 2012: weiblich, 73 Jahre

Anfang 1988 wurde bei einer Blutanalyse ein erhöhter Eisengehalt festgestellt. Meine Hausärztin empfahl daraufhin, die tägliche Flüssigkeitsmenge zu erhöhen. Kurz darauf meldeten sich unerklärliche Gelenkbeschwerden in beiden Knien. Eine Überweisung zum Orthopäden war die Folge, der zunächst auf Rheuma tippte. Entsprechende Untersuchungen verliefen negativ. Sein Rat war, sportliche Aktivitäten, wie insbesondere das Joggen, einzustellen und stattdessen gelenkschonendere Sportarten auszuüben. Als folgsame Patientin wurde dieser Rat auch befolgt.

Wenig später stellten sich aber Schmerzen in sämtlichen Gelenken, wie Handgelenke, Sprunggelenke, Ellbogen, Schultern, ein. Da lag der Gedanke nahe, dass auch die Kniebeschwerden nicht allein vom Joggen kommen konnten.

Meine sehr aufmerksame Hausärztin experimentierte nicht mehr lange und überwies mich Ende 1990 zu einem Rheumatologen. Der wiederholte Test auf Rheuma verlief wieder negativ. Aufmerksam gemacht durch eine Hämochromatose-Patientin in seiner Praxis und die bei mir festgestellten erhöhten Eisenwerte veranlassten den Rheumatologen, auch bei mir die Untersuchung auf das Vorliegen einer evtl. Eisenspeicherkrankheit vorzunehmen Das Ergebnis gab ihm Recht, mein Ferritinwert lag bei 1.100. Die Diagnose zur Feststellung einer Hämochromatose konnte zum damaligen Zeitpunkt nur durch eine Leberbiopsie festgestellt werden. Fazit war, meine Leber war randvoll mit Eisen, glücklicherweise zeigten sich jedoch noch keine Strukturveränderungen. Der Kommentar des Arztes: „Es ist bei Ihnen 5 vor 12 !“

Der Schock war gewaltig, zumal es zum damaligen Zeitpunkt so gut wie keine Möglichkeiten gab, sich über das Krankheitsbild Hämochromatose zu informieren.

Seit Ende 1990 folgten dann in 2-wöchentlichem Rhythmus Aderlässe, bis mein Ferritingehalt die für Hämochromatose-Betroffene zulässige Grenze von 50 µgl/l erreicht hatte. Durch eine konsequente Lebensweise, durch eine angepasste Ernährung und sportliche Betätigung benötige ich heute nur noch 1 – 2 Aderlässe im Jahr. In regelmäßigen Abständen erfolgen Blutuntersuchungen zur Bestimmung von Ferritin, Kontrolle der Transaminasen und 1x/Jahr eine Lebersonographie.

Die frühzeitige Diagnose und konsequente Behandlung haben mich glücklicherweise vor gravierenden Spätfolgen bewahrt und mir eine normale Lebenserwartung und Lebensqualität gesichert.

2010 machte sich allerdings meine rechte Hüfte (Nekrose) bemerkbar; eine Endoprothese  wurde erforderlich. Beschwerden haben sich in letzter Zeit auch an der linken Hüfte bemerkbar gemacht.

Die Dankbarkeit, durch eine rechtzeitige Diagnose vor einem schlimmen Schicksal bewahrt worden zu sein, haben mich bewogen, 1999 für diese Erkrankung eine Selbsthilfegruppe zu gründen, die inzwischen bei Betroffenen, bei Ärzten und in der Öffentlichkeit große Resonanz erfährt.

N.N.

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